Angehörigen berichten mir oft, dass sie den Tag der Trauerfeier fürchten und froh sind, wenn dieser vorbei ist. Und der Moment des Abschieds von einem geliebten Menschen, gehört sicher zu den schwersten Augenblicken im Leben. Doch ich bin der Überzeugung, dass eine schöne Trauerfeier und eine gelungene Trauerrede in besonderem Maße dazu beitragen können, Trost zu spenden. Dass die Trauerfeier einen Raum des gemeinsamen Erinnerns bietet und somit ein ganz wichtiges Ritual im Trauerprozess ist.
Doch was macht eine gelungene Trauerrede aus?
Bei der Trauerfeier meines Vaters hatte ich das Gefühl eine Rede zu hören, in der es um alles, aber nicht um meinen Vater ging. Dass der vorgetragene Text um Inhalte aus unserem Gespräch gefüllt wurde, aber mein Vater nicht im Mittelpunkt stand. Ich habe damals nichts aus dieser Rede für mich mitnehmen können und keinerlei Hoffnung daraus schöpfen können. Deshalb sind mir die folgenden Punkte ganz besonders wichtig:
1. Der verstorbene Mensch steht im Mittelpunkt
Eine Trauerrede ist für mich kein allgemeiner Text über Verlust, sondern ein individuelles Portrait des Verstorbenen. Die wichtigste Aufgabe der Rede ist es, die Einzigartigkeit und die Persönlichkeiten des verstorbenen Menschen zu zeichnen. Es geht für mich nicht darum, einen vollständigen Lebenslauf aufzulisten, sondern die wichtigsten Elemente des Lebens, die besonderen Momente, die Charakterzüge und die schönen Geschichten herauszustellen, die diesen Menschen unverwechselbar gemacht haben.
Ein solches Portrait kann Facetten aufzeigen, die vielleicht nicht alle kannten: die kleinen, liebenswerten Macken, die tiefen Überzeugungen oder die Art, wie dieser Mensch die Welt gesehen hat. Und dabei versuche ich, diesen Menschen aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Meine Reden sind geprägt von den kleinen persönlichen Geschichten und Erinnerungen, die dabei helfen, ein klares Bild vor Augen zu haben.
2. Die Zugehörigen erhalten ein Bild der Hoffnung
Mir ist es wichtig, dass die Zugehörigen mit einem positiven Gefühl aus der Trauerfeier raus gehen. Dass sie inmitten der Traurigkeit ein wenig Hoffnung und Trost erhalten. Deshalb versuche ich immer ein Bild zu schaffen, einen Gedanken zu formulieren oder eine Metapher zu kreieren, die den Zugehörigen ein positives Bild mitgibt, was im Herzen bleibt.
Ein solches Bild könnte sein, den geliebten Menschen als Baum zu sehen, dessen Wurzeln tief in uns verankert sind. Deren Blätter wie kleine Erinnerungen sind, die, auch wenn sie vielleicht schon gefallen sind, der Nährboden für so viel Neues sein können. Wichtig ist, dass dieses Bild zu dem Menschen passt, über den ich spreche.
3. Ein Lächeln inmitten der Trauer
Trauer ist schwer, und doch gibt es auch in den dunkelsten Momenten Raum für Licht und Leichtigkeit. Für mich ist es von großer Bedeutung, dass es in jeder Trauerrede mindestens einen Moment gibt, in dem man schmunzeln oder sogar leise oder auch laut lachen kann. Denn für mich gehören zur Trauer alle Gefühle. Und auch die schönen und lustigen Momente mit dem verstorbenen Menschen, dürfen auf einer Trauerfeier Platz bekommen. Nicht, um die Trauer zu überdecken, sondern um die Liebe und Freude sichtbar zu machen.
Vielleicht ist es eine Anekdote über einen lustigen Moment oder ein Missgeschick, über das man später gemeinsam gelacht hat. Diese Momente des Lächelns erinnern uns daran, dass der geliebte Mensch nicht nur Traurigkeit hinterlässt, sondern auch schöne, freudige Erinnerungen, die uns ein Leben lang begleiten.
Fazit
Eine gute Trauerrede ist weit mehr als nur Worte. Sie ist eine Brücke, die den verstorbenen Menschen mit den Hinterbliebenen weiterhin verbindet. Sie erzählt von einem gelebten Leben, das Freude und Spuren hinterlassen hat. Sie gibt den Zugehörigen ein Bild mit auf den Weg, dass sie in schweren Momenten trösten kann, und schafft es vielleicht sogar, ihnen ein Lächeln inmitten der Trauer ins Gesicht zu zaubern. In der Erinnerung lebt der verstorbene Mensch weiter – und eine gelungene Trauerrede kann helfen, diese Erinnerungen lebendig und kraftvoll im Herzen zu verankern.
Doch was, wenn die Beziehung schwierig war?
Manchmal ist die Situation komplexer. Es gibt Momente, in denen mich Anfragen erreichen, bei denen die Beziehung zum verstorbenen Menschen schwierig war. Manche Zugehörigen wollen keine Rede, die ein geschöntes Bild erzeugt, dass sie nicht wiedererkennen. Sie suchen nach einem ehrlichen Abschied, der auch den schwierigen Aspekten der Beziehung Raum gibt, ohne zu urteilen.
Auch dann steht bei mir der Mensch im Mittelpunkt. Eine gute Trauerrede muss nicht idealisieren, sie darf ehrlich sein. Wenn die Beziehung von Spannungen, Enttäuschungen oder unerfüllten Erwartungen geprägt war, ist es meine Aufgabe, behutsam mit diesen Gefühlen umzugehen. Denn oft steckt in diesen schwierigen Beziehungen auch der Wunsch nach Frieden und einem guten Abschluss. Ich versuche dann, das gelebte Leben in seiner Gesamtheit zu betrachten – mit allen Höhen und Tiefen.
Ich versuche in solchen Situationen Raum für Reflexion zu lassen: Was hat der Verstorbene trotz der Schwierigkeiten hinterlassen? Was bleibt von dieser Beziehung? Wie kann man den verstorbenen Menschen in Erinnerung behalten, ohne die Wunden zu vertiefen?
Selbst in einer schwierigen Beziehung gibt es oft kleine besondere Momente, Augenblicke der Gemeinsamkeit, und sei es nur eine Erkenntnis darüber, was einem selbst im Leben wichtig ist. In solchen Situationen einen Raum für Trauer und Nachdenken zu öffnen, kann den Zugehörigen helfen, einen authentischen Abschied zu erleben, der ihnen trotzdem die Möglichkeit gibt, mit einem versöhnlichen Gedanken weiterzugehen.
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